:a:Interview mit
Alexander Blühm
 
Am Samstag, dem 11. Juni spielt die Würzburger Theatertruppe Der Keil im Kunstverein ihr Stück Der Bauernvergewaltiger. Wir haben den gebürtigen Weidener Alexander Blühm hierzu befragt.

:almat: Servus Blühm, ganz schön fett geworden.

Blühm: Nenn mich bitte Alexander.

:almat: Du warst lange nicht mehr in Weiden.

Blühm: Ja.

:almat: Drei Jahre so?

Blühm: Weihnachten 2001.

:almat: Warum nicht?

Blühm: Es war schrecklich. Ich saß im vollgestopften Theatro und da sind Leute, auf die hast du dich eigentlich gefreut, da sind welche, die wolltest du nicht sehen, und noch schlimmer, da sind welche, deren Existenz du ganz vergessen hattest und schlagartig wird dir bewusst, den willst du ja auch nicht sehen, eigentlich. Dann gibt es die erfreulichen Ereignisse derer, die du auch vergessen hattest, deren plötzliche Wiederwerdung dann aber sehr angenehm ist. Das Problem dabei nur, dass das auch nix hilft, weil die pure Masse dich einfach tothaut. Und plötzlich schmilzt jegliche möglicherweise im Ausland gemachte Entwicklung von dir weg und du bist wieder der kleine Volldepp von früher. Und alles redet dich wieder mit Nachnamen an. Wie in der Grundschule.

:almat: Verzeihung.

Blühm: Passt schon. Ich habe jetzt die ganze Zeit die Du-Form verwendet, aber wahrscheinlich handelt es sich um meine ganz eigene Psychose. Auf jeden Fall bin ich nach drei Tagen Weihnachten derart deprimiert nach Würzburg gefahren, dass ich mir geschworen habe, nie mehr Weiden. Seelisch zu teuer.

:almat: Jetzt kommste aber mit deinem Theater.

Blühm: Nun ja. Erstens handelt es sich ja nicht um Weihnachten, was bedeutet, dass nicht die geballte Vergangenheit versammelt ist, sondern halt ein paar Leute von früher, was sehr schön sein kann und ansonsten irgendwelche nie gesehenen Jungspunde. Außerdem sind drei Jahre Fortgewesensein eine Zeit, nach der man sich einbilden kann, ich bin jetzt schon groß, habe mein eigenes mehr oder minder funktionierendes Leben, jetzt könnt ich es vielleicht aushalten. Und davon abgesehen ist es für mich eine große Freude, dieses Stück endlich mal dort spielen zu können, wo es entstanden ist, und wo es im Grunde genommen auch spielt: Die Weiden. Ich freue mich sehr darauf, meinen Leuten diese Stadt zeigen zu können und hoffentlich auch die Umgebung. Floß, Waidhaus, Vohenstrauß, das sind für die ja alles mystische Orte, nur bekannt aus den apokalyptischen Sex-Fantasien des Huaber-Bauern. Die Realität wird sie umhauen, denn keiner von denen rechnet damit, wie nahe sie der Fiktion ist, wie sie die Fiktion oft sogar übertrifft.

:almat: Erzähl mal von dem Stück.

Blühm: Gut, Der Bauernvergewaltiger ist 97 oder 98 entstanden, so genau weiß ich es nicht mehr. Er war ursprünglich als Filmdrehbuch gedacht, war mit meinen Mitteln allerdings nicht realisierbar. Die Sache mit dem Pornoproduzenten, der den Titel wohl falsch verstanden hat, hat sich auch recht schnell zerschlagen. Ich habe es dann halt mal im Club vorgelesen, was gut ankam. Dann war aber erst einmal der Ofen aus. Es lag einige Jahre auf Eis, war abgehakt. Ein glücklicher Zufall hat mich allerdings 2000 nach Würzburg verschlagen, eine Stadt, die nicht nur aus Kirchen besteht, wie ich annahm, sondern auch eine reiche Off-Theaterszene hat. So kam ich viele Jahre nach den Höllerersachen in Vohenstrauß wieder aktiv mit Theater in Verbindung. Ich habe zwei Jahre ausschließlich auf Schauspieler gemacht, bis ich glaubte, genug davon zu verstehen, um mal selbst was zu inszenieren. Hinzukam, dass ich zu dieser Zeit Homer Berndl und Michael Knorr kennenlernte und so Der Keil entstand. Ohne die beiden hätte ich nie die Chuzpe gehabt, zu inszenieren. Ich würde mir übrigens bis heute nicht anmaßen, alleine Regie zu führen. Die Keil-Produktionen sind allesamt Ensemblearbeiten, in denen unsere jeweiligen speziellen Fähigkeiten auf das Schönste ergänzen. So haben wir eben den Bauernvergewaltiger gemacht und dann noch so einiges. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir sagen, gut, wir spielen in Würzburg vor immer dem gleichen Publikum – die Off-Theaterszene ist ein ganz schöner Inzesthaufen – jetzt lasst uns doch mal gucken, ob der Unsinn auch anderswo interessiert. Also fahren wir ein bisschen rum. Der Begriff Tournee ist etwas hochgegriffen, denn fest haben wir bis jetzt nur vier Gastspielorte, aber spannend ist es so oder so.

:almat: Jetzt hast du viel über die Entstehung erzählt, aber nichts über das Stück.


Blühm: Weil ich es hasse, Inhalte zusammenzufassen. Gerade in diesem Stück passiert eigentlich auch gar nichts. Es fängt an und hört irgendwann halt auf. Dazwischen ist Text, der derart beliebig ist, dass man sonst was damit machen kann. In der Münchener Uraufführung von Willibald Spatz war das ganze ein bedrohliches Kammerspiel, durchbrochen durch den Bauernschwank. In unserer letztjährigen Inszenierung ging es um einen eingebildeten Blinden und seinen Zivi. Diesmal könnte man das ganze untertiteln mit Der Baggersee des Bösen. Es ist so eine Art schwuler Esoterikthriller geworden, der am, sagen wir mal, Blauen Weiher spielt. Es könnte auch auf einem Tennisplatz spielen, in den Trümmern des WTC oder auf einem sehr hohen Berg. Es ist halt so ein Konversationsstück. Charmant unterhaltend.

:almat: Na gut, hört sich, äh, interessant an.

Blühm: Kann ich auch nix machen.

:almat: Na dann, bis dann.


Blühm: Bis dann.