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das phantom

jeder, der regelmäßig alkohol trinkt ist alkoholiker. es sind jedoch deutlich zwei gruppen von alkoholikern zu unterscheiden: süchtig und nicht-süchtig.

der drang des alkoholsüchtigen zeigt sich darin, dass schon beim genuß kleiner alkoholmengen ein verlangen nach mehr alkohol entsteht, begleitet vom verlu
st der selbstkontrolle und der unfähigkeit, mit dem trinken aufzuhören.
ob alkoholkonsum aus frust, sehnsucht oder minderwertigkeitsgefühlen, es gibt unzählige "gründe", doch die einsetzende suchtwirkung wird weder vom alkoholiker selbst, noch von seiner umgebung bemerkt, zumal dieses "erleichterungs-trinken" durchaus gesellschaftsüblich ist.

anfänglich schreibt der trinker seine erleichterung auch eher der situation als dem trinken zu. zum beispiel ein sonniger nachmittag am woodstock oder ein gemütlicher abend im irish. aber im gegensatz zum durchschnittlichen "sozialen trinker" empfindet der alkoholkranke bald seine befriedigende erleichterung im trinken selbst. das gesteht er sich nicht immer gleich selber ein. erinnerungslücken, heimliches trinken oder das dauernde denken an alkohol lassen den trinker dann doch bemerken, dass sein trinkverhalten ungewöhnlich ist. er entwickelt "schuldgefühle" wegen seiner trinkart. deshalb beginnt er, bei unterhaltungen "anspielungen auf alkohol" zu vermeiden.

aus gewöhnung wird krankheit.

der "verlust der kontrolle" bedeutet, dass, sobald eine kleine alkoholmenge in den körper gelangt, ein verlangen nach mehr alkohol entsteht, das vom trinker als körperlicher bedarf empfunden wird. dieses verlangen hält an, bis der trinker zu betrunken oder zu krank für eine weitere alkoholaufnahme ist. dieser exzeß braucht übrigens nicht durch ein krasses ereignis ausgelöst werden, sondern kann schon durch einen einzigen "gesellschaftlichen schluck" eingeleitet werden.

der "kontrollverlust" wirkt aber erst, nachdem der mensch mit dem trinken angefangen hat! er hat noch immer die kontrolle darüber, ob er bei einer gelegenheit trinken will oder nicht!

doch der alkoholkranke ist sich seines kontroll-verlustes nicht bewusst. er ist jedes mal wieder davon überzeugt, dass es nur bei einem bier (oder zwei) bleiben wird.

praktisch zusammen mit dem beginn des kontroll-verlustes beginnt der suchtkranke, "sein trinkver-halten zu erklären": er produziert die bekannten alkohol-ausreden und findet erklärungen, die ihn davon überzeugen, dass er die kontrolle nicht verloren hat. er hatte ja einen grund sich zu be-trinken und er wäre durchaus im stande gewesen, den alkohol wie jeder andere zu genießen oder stehen zu lassen. diese erklärungen geben ihm die möglichkeit weiter zu trinken, was für ihn, der keine andere möglichkeit zur lösung seiner probleme kennt, von größter wichtigkeit ist.

dies ist der anfang eines ganzen "erklärungs-systems", das sich immer mehr auf jede ebene seines lebens ausbreitet. denn jetzt fällt seine trinkart auf: eltern, beziehungspartner und freunde beginnen den alkoholkranken zu tadeln und zu warnen.

trotz aller erklärungen besteht ein deutlicher verlust an selbstachtung. eine art kompensation ist die "übergroße selbstsicherheit nach außen", die der suchtkranke zu dieser zeit an den tag zu legen beginnt. extravagante verschwendung und großspurige reden überzeugen ihn selbst, dass er noch nicht so schlecht dran ist, wie er manchmal gedacht hat.

er beginnt sich dadurch zu isolieren. seine erklärungen führen zu der ansicht, dass der fehler nicht bei ihm, sondern bei den anderen liegt, was wiederum eine fortschreitende abkehr von der sozialen umgebung zur folge hat. das erste zeichen dieser haltung ist ein auffälliges aggressives verhalten.

während früher nur gelegentlich während des trinkens gewissensbisse auftraten, so entsteht jetzt eine dauernde zerknirschung. diese zusätzliche belastung ist ein neuer anlass zum trinken. dem sozialen druck folgend, durchläuft der suchtkranke jetzt perioden völliger abstinenz. doch die wenigsten können hier wirklich aufhören, denn bald gibt es aus der sicht des süchtigen andere methoden, das trinken unter kontrolle zu halten. er glaubt nämlich, dass seine schwierigkeiten dadurch zu kontrollieren sind, dass er sein "trink-system" ändert. er stellt regeln auf: nicht vor einer bestimmten tageszeit, nur an bestimmten orten, nur diese oder jene alkoholart oder menge usw.

die unkenntnis der umgebung, die ihn wissen lässt, dass "ein glas bier" oder "ein glas wein" nichts schadet, bestärken ihn noch in dieser haltung. diese anstrengung des kampfes vermehrt seine feindseligkeit gegen seine umgebung und er beginnt beziehungs-partner und freunde "fallenzulassen" und arbeitsplätze oder schule zu verlassen. die isolation wird immer betonter, da sich sein ganzes verhalten auf die droge konzentriert. er beginnt zu bedenken, wie ein kritischer freund sein trinken stören könnte, anstatt wie sein trinken die beziehung zu seinem freund zerstören könnte.

es folgt ein verlust an äußeren interessen und eine neuauslegung zwischenmenschlicher be-ziehungen. diese sind mit einem aufallenden selbstmitleid verbunden.

isolation und erklärung haben jetzt an ausmaß zugenommen. der süchtige "träumt sich davon" oder er ergreift tatsächlich die geografische flucht.
diese vorkommnisse führen zum entstehen eines grundlosen unwillens beim alkoholsüchtigen. das vorherrschende interesse am alkohol veranlasst den süchtigen, seinen vorrat zu sicheren. angemessene ernährung wird nach und nach vernachlässigt und die wirkung des trinkens auf den organismus wird noch schwerer.
eine der häufigsten organischen wirkungen ist die abnahme des sexualtriebes, die die feindschaft gegen den beziehungspartner vermehrt und mit dessen vermuteten fremdgehen erklärt wird. dies verursacht die gut bekannte "alkoholische eifer-sucht"!

in dieser zeit haben gewissensbisse, unwillen, kampf zwischen alkoholverlangen und vernunft, verlust der selbstachtung, zweifel und falsche ermutigung den süchtigen so zerüttet, dass er den tag nicht beginnen kann, ohne sich nach dem aufstehen oder noch vorher mit alkohol zu beruhigen.

die chronische phase tritt in kraft.

der alkohol konrolliert das leben des trinkers. der verlust der moral ist beim süchtigen so hoch, dass es ihm egal ist, mit wem er trinkt. auch menschen, die er nüchtern nicht ertragen könnte, zählen plötzlich zu seinem "freundeskreis".

undefinierbare ängste und zittern werden zur dauererscheinung. in der chronischen phase sind diese symtome da, sobald der alkohol aus dem organismus verschwindet. demzufolge kontrolliert der süchtige diese symtome mit alkohol (oder anderen drogen).

die notwendigkeit, diese symtome des trinkens zu überwinden, übertrifft das bedürfnis, die ursprünglich zugrunde liegenden symtome zu beseitigen. damit nimmt das trinken den charakter einer bessenheit an.

bei vielen süchtigen entwickeln sich unbestimmte religiöse wünsche, während die erklärungsversuche schwächer werden.
schließlich werden im laufe der oft ausgedehnten exzesse die erklärungen so häufig und unbarmherzig der wirklichkeit gegenübergestellt, dass das gesamte "erklärungssystem" versagt und die niederlage wird vom süchtigen zugegeben.
oftmals ergibt sich als folge hiervon, dass der kranke seelische zusammenbrüche schwerster art erlebt, die in jedem fall eine ärztliche behandlung notwendig machen. selbstmordversuche sind in diesem stadium der erkrankung nicht selten. (...)

und jetzt?

wenn du bis hierhin gelesen hast und dir das eine oder andere symtom bekannt vorkommt, ist es ziemlich sicher, dass du starke probleme mit alkohol hast oder eine abhängigkeit entwickelt hast. alkoholsucht ist kein phantom.
hilfe und behandlung können erst dann einsetzten, wenn ein betroffener akzeptiert, dass er ein süchtiger alkoholiker ist - oder in gefahr steht, einer zu werden. je früher jemand zu seiner krankheit steht, um so aussichtsreicher sind die heilungsaussichten.

quelle: ‘phasen der alkoholsucht’/nicol-Verlag


Suchtberatungsstelle:
Caritasverband 0961 . 389 14 33