BUSCH Inter:VIEW: Teil 2

Anfang letzter Woche erreichte mich eine Mail aus dem `Weissen Haus`, dem Regierungsitz des amerikanischen Presidenten George W. Bush mit folgendem Text (dt. Übersetzung):

` ...Sehr geschätztes almat-Magazin,
die Politik lässt es leider nicht zu,
persönlich mit Ihnen das mir sehr
wichtige Interview wieder aufzugreifen.
Ich bitte Sie deshalb mir auf
elektronischem Wege hierfür Ihre
Zeit und offerieren. Die somit für Sie
entstehenden Kosten werden selbst-
verständlich durch mich getragen.
Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet,
wenn Sie mir alsbald Ihre Fragen
zukommen lassen. Die Beantwortung
wird daraufhin umgehend erfolgen.

Mit aufrichtigem Gruß und Dank im Voraus

Mr. President George W. Bush...`

 

Natürlich war ich total überrascht, -aber vor allem ungemein erleichtert...

Es war eine absolut schwere Entscheidung für mich, das Interview im letzten almat überhaupt zu publizieren. In keinster Weise konnte ich die aufrichtig-selbstkritischen Aussagen und Eingeständnisse von George W. Bush einschätzen; vielleicht war es auch nur eine zufällige sentimentale Stimmungsphase, die Ihn, -ähnlich einem Rauschzustand-, durch absolute Selbstoffenbarung eine vorübergehende Erleichterung erleben lies...? Tatsächlich rechnete ich jeden Tag nach Veröffentlichnung der letzten Ausgabe (und in zahlreichen nächtlichen Träumen...) mit einer plötzlichen Sperrung des Magazins, -und daß auch ich `weggesperrt` werden würde (und zwar, ...ohne öffentliche Aufregung erzeugen zu wollen, durch `special forces` entführt, -nicht nur des Schlafes-, sondern über Hand- und Fußfesseln, und Augenbinden, in Guantamayo Bay gänzlich meiner Freiheit und meiner Sinne beraubt !) -Und dieser Alptraum schien mir bis vor dem unerwarteten Eingang der e-Mail des Präsidenten keineswegs als unrealistisch...!).

Nach über zwei Wochen schlief ich die erste Nacht wieder ohne verstört durch erträumte `Entführungsszenarien` aufzuschrecken. Es bedurfte noch zwei Tage Ruhe und Zurückgezogenheit, um die so unwirkliche und doch zugleich erleichternde Situation, durch die Mail von G.B., als tatsächlich real wahrzunehmen, -und um meine Gedanken für den zweiten Teil des Exklusivinterviews zu sammeln.-

Und das ist der zweite und komplettierende Teil des Interviews (elektronisch geführt, -was mir gar nicht so unrecht war-, so konnte ich meine Fragen unausweichlich und direkt stellen) :

 

Mr. George Bush, jetzt wo vorübergehend Ihre Soldaten aus Afghanistan zurückgezogen werden, scheint erstmal aufgeräumt zu sein mit der Al Quaida, - zumindest in Afghanistan. Wie stehen Sie zu dem Ergebnis von unzähligen Opfern, und einem ausgemergelten und immer noch destabilen Land ?

Zuerst möchte ich mich für Ihr Entgegenkommen bzgl. dieses Interviews via Internet bedanken. Des weiteren für Ihr Vertrauen und Ihren Mut, den ersten Teil des Interviews bereits in Ihrem Magazin abzudrucken. Sie haben mir damit einen sehr großen Gefallen getan. Ich danke Ihnen. Grundsätzlich möchte ich vorab erwähnen, daß meine Antworten auf Ihre Fragen im vollen Umfang als seriös und autonom bewertet werden dürfen. Meinem Anspruch auf eine aufrichtige Selbstentäusserung ist aus einer nicht unerheblichen Gewissenslast hervorgegangen..., die ich auf diesem Wege versuche zumindest vorübergehend etwas zu entlasten. Nun zu Ihren Fragen :
Natürlich durften die abscheulichen Terrorackte nicht unbeantwortet bleiben. Ohne Zweifel verstießen diese Anschläge gegen jede Form zivilisierter Menschenrechte. Doch ob die einseitige und überstürzte militärische Reaktion die richtige Antwort hierfür war, bezweifeln nicht nur die Kritiker...;auch ich. Die Rechenschaft mir selbst gegenüber ziehe ich vorerst in einem persönlichen Rahmen, -wozu dieses Interview einen nicht unerheblichen Beitrag leistet. In diesem Sinne möchte ich zusammenfassend eingestehen, daß die amerikanischen, -bzw. als Repräsentant der vereinigten Staaten-, sozusagen meine unreflektierten Anworten auf den Anschlag von patriotischem Aufbegehren und dem Üben in Vergeltungsparolen gekennzeichnet waren. Sicherlich habe ich, -insbesondere durch meine Position als wohl einflußreichster und mächtigster Politikers der Welt-, dazu beigetragen, daß das welt-gesellschaftliche Bewußtsein in moralischen und ethisch-wertschätzenden Haltungen und Einstellungen dadurch in Ihrer Senisibilität gesunken ist. Durch mein selbstherrliches Stilisieren und Ereifern der westlichen-, als der gerechten und aufgeklärten Welt, der islamistischen als der ungerechten und unfreien Welt, eben dem Stigmatisieren in `Gut` und `Böse`, muß ich als traurigen Verdienst erkennen, daß damit die amerikanische Weltpolitik nun offenkundig und noch unverantwortlicher Ihre eigennützige machtpolitische Vorherrschaft in der Welt unterstreicht. Mittlerweile empfinde ich sogar Scham, daß wir uns durch den kompromisslosen militärischen Gegenschlag nicht nur auf die zu verachtende terroristische Sprache von Gewalt und Mißachtung von Leben berufen haben, sondern sogar den Begriff der `Rache` positiv` bewertet wieder auferstehen ließen...

Vielen Dank für diese Eingeständnisse, Mr. Bush. Als Zusammenfassung Ihrer Äusserungen finde ich ein Zitat der indischen Autorin und Kritikerin Arundhati Roy als treffend :

"...Genau darum geht es : um die willkürliche Unterscheidung (der amerikanischen Regierung) zwischen Zivilisation und Barbarei... und die eigenwillige Algebra grenzenloser `Gerechtigkeit`...".

Mr. Bush, ist es nicht absurd zu denken (und danach zu handeln), daß der Terrorismus sich mit Gewalt und Unterdrückung ausmerzen ließe ? Ist der Terrorismus nicht nur ein Symptom, eine Krankheit ?

Ja. Terrorismus keimt aus bestimmten Wurzeln. Diese sind insbesondere menschenunwürdige Armut und soziale Ungerechtigkeit und Unterdrückung, welche hauptsächlich in dikatatorischen und autokratischen Regimen zu finden sind. Die Bereicherung der Mächtigen und Regierenden dieser zumeist Entwicklungs-, und Schwellenländer, immer in Verbindung mit einer ungerechten Politik der Menschen gegenüber, hat zumeist die grundlegende Hauptursache, daß sich tagtäglich ein Existenzkampf ums Überleben abspielt. Wer diese Erfahrung der Armut einmal erlebt hat, und dabei die Groteske des hohen Lebensstandards der westlichenWelt (über die Medien) wahrnimmt, wird zwangsläufig versuchen sich ein möglichst annehmliches Leben zu verschaffen (wenn er die politische Macht und Möglichkeit bekommen sollte). Eine Art Selbsterhaltungstrieb, der sicherlich moralisch verwerflich bleibt, da er immer auf Kosten anderer ausgetragen wird, -jedoch im Kontext eines unterentwickelten, armen Landes in gewisser Weise nachvollziehbar wird. Die westliche Parabell für die Anhäufung und Bereicherung zur Sicherung von persönlicher Lebensqualität ist Korruption und Steuerhinterziehung. Somit wird eindeutig, daß auch die Unterdrückung und Ausbeutung durch ein Regime immer auf der eigentlichen Wurzel des Übels basiert, -nämlich auf der lebensfeindlichen Armut eines Landes.

Im Spielen des `Weltpolizisten` spielt Amerika eine umstrittene Vorreiterrolle. Wo bleibt die weltpolitische Verantwortung der Amerikaner bzgl. einer Bekämpfung der Armut ? Ist es nicht grotesk, wenn die drei reichsten US-Milliadäre reicher sind als die 46 ärmsten Staaten zusammen ? Warum lehnen Sie die kürzlich von der int. UN-Konferenz geforderte Entwicklungshilfeinvestition von 0,7 % des Bruttosozialproduktes ab ?

Sicherlich liegt ein Grund für die Ablehnung in unserer Mentalität begraben. Amerika läßt sich nicht gerne Auflagen erteilen, -und geschweige denn über sich in irgendeiner Form bestimmen. Schließlich sind wir der größte zusammenhängende Staat der Erde ! Ganz offen gesagt, sehen wir keine Notwendigkeit zu investieren, ohne einen Nutzen (für Amerika) daraus zu ziehen. In diesem Sinne sperren wir uns auch gegenüber Handelsimporten aus Entwicklungs-, und Schwellenländern, indem wir überzogene Importzölle verhängen. Dieser Politikstil ist zwar hauptsächlich-, jedoch nicht nur den Vereinigten Staaten anzukreiden. Auch die EU `schützt` Ihren Markt bisweilen durch das Instrument ungerechter Handelsbarrieren. Von aktueller Bedeutung jedoch ist, daß Amerika durch gezielte Handelsschranken insbesondere die arabischen Länder nahezu ausschießlich vom Handel mit Ihren wertvollen Energieressourcen abhängig machen. Durch eigennütziges Durchdringen und Unterwandern diese Marktes mit dem Ankauf von Nutzungsrechten, sowie dem Aufbau amerikanischer Energiehandelsunternehmen in diesen Ländern, destabilisieren wir jedoch die wirtschaftliche Lage dieser Staaten und Regionen, was sich insbesondere auf die Lebensverhältnisse der Menschen auswirkt. So richtete sich der Terroranschlag nicht gegen kulturelle Eigenheiten und den Pluralismus der westlichen Welt, sondern gegen die rücksichtslose Durchsetzung eigennütziger, proamerikanischer (Wirtschafts-)Interessen und gegen die Kontrolle eigennützigen Handel(n)s, bei dem einzig die Macht des Kapitals marktentscheidend wirkt.
Um zurückzukommen auf das Investitionsprogramm : Die offizielle Begründung unserer Ablehnung der Investitionszusicherung zur Entwicklungshilfe in entsprechender Höhe ist das lapidare Argument, daß bisher noch keine konkreten Entwicklungsziele erarbeitet wurden. Diese kritische Aussage hatte den einzigen Nutzen, die amerikanische Politik vor möglichen negativen Schlagzeilen zu bewahren, denn sie trifft in keinster Weise zu. So gibt es zahlreiche Zielerklärungen zu nachhaltiger Entwicklungshilfe, - hauptsächlich von verschiedenen NGO`s (Am.d. R.`Non-Government-Organisations `) erarbeitet. Die Umsetzung dessen bedarf ausschließlich der Akzeptanz und Integration auf (welt-)politischer Ebene, -doch gerade für diese notwendige Veranlassung geopolitischer Regulierungen sind die Verantwortlichkeiten nicht eindeutig geklärt. Sie werden wissen, daß ich nicht selten bzgl. unkritischer und unsachlicher Standpunkte kritisiert worden bin. Deshalb möchte ich zumindest jetzt eine konkrete Aussage treffen : Solange sich die Politik nicht durch gesetzlichen Bestimmungen von Ihrer selbsterzeugten Abhängigkeit gegenüber einer wirtschaftlichen Diktatur erhebt, werden sich die Machtverhältnisse im freien Welthandel immer einseitiger, -und somit ungerechter-, zugunsten marktbeherrschender, transnationaler Unternehmen ausweiten. Und die Spaltung in Arm und Reich weiter zunehmen.

Mit dem zügellosen globalen Welthandel steht für eine gerechtere, und somit wohl auch friedlichere, Welt kein sehr guter Stern am Himmel... Da dem Anschein nach die Politik, trotz zahlreicher Versuche mit Wirtschaftsgipfeln und Weltkonferenzen, nicht im Stande scheint, grundlegende Regulierungen und Schutzbestimmungen für eine gerechtere Weltordnung zu erheben, möchte ich Sie, Mr. Bush, abschließend fragen ,wie der Einzelne einer ohnmächtigen und handlungsunfähigen Politik gegenüberstehen soll ?

Dieser Ihrer letzten Frage messe ich einen besonders hohen Stellenwert zu. Die traurige Tatsache, daß wir, die Politiker nicht in der Lage sind, über gemeinsame Regierungserklärungen und Abkommen weltweit positive Symbole gegen eine weitere Verbreitung von Elend und Hunger zu setzen, bewirkt dies somit auch bei den Menschen der westlichen Welt kaum einen Bewußtseinswandel zu mehr verantwortlichem Handeln. Merklich verliert auch in der unmittelbaren Lebenswelt des Einzelnen ein gesellschaftliches Bewußtsein für mehr Gleichberechtigung, Solidarität und Toleranz gegenüber Bedürftigen und Schwächeren immer mehr an Bedeutung. Somit stellen sich zwei maßgebliche Herausforderungen sowohl für den Einzelnen, als auch für die (regionale) Politik :
Ein verantwortliches Handeln des Einzelnen würde bedeuten, über eine bewußte Kosumhaltung, sich für regionale und umweltschonende Produkte, -und nicht zuletzt für Produkte welche mit dem Erzeuger (insb. aus armen Ländern) `fair` gehandelt worden sind-, zu entscheiden. Gleichzeitig kann der Einzelne durch die Kaufverweigerung von Marketingprodukten zu einem gerechteren Wettbewerb beitragen. Eine weiteres, und immer mehr an Bedeutung gewinnendes Handlungsfeld für gesellschaftliches Engagement zu mehr Gerechtigkeit in der Welt sind einzelne (sich über Netzwerke verbindende) Interessensverbände und Vereine. Eine bemerkenswerte öffentliche Präsenz hierfür bildet die weltweite Bewegung der Globalisierungsgegner. Abgesehen von der Minderheit willkürlich-gewaltbereiter Einzelpersonen, bewirkt die friedliche, öffentlichkeitswirksame Demonstration zehntausender Menschen eine Bewußtmachung für die zwangsläufigen Konsequenzen (Ausweitung von Marktkontrolle und Arbeitslosigkeit versus Hunger und Elend; fortschreitende Umweltzerstörung; unstabiles und unfriedliches Weltgefüge) einer immer weiter aufklaffenden Schere zwischen Arm und Reich.
Diese Leute, mit Ihrem welt-gesellschaftlichem Engagement, haben erkannt, daß es für die Aussicht auf politische Lösungen hin zu einer gerechteren Welt auch Ihres persönlichen Beitrags bedarf. Und zum Glück werden es immer mehr die so denken. So lautete das Thema des Deutschland-Kongresses von `Attac`(Anm. d. R. ` Vereinigung für eine solidarische Weltwirtschaft und neoliberale Globalisierung`) : " Eine andere Welt ist möglich."

Spätestens dann, wenn ich von meinem (dafür wohl mit maßgeblichen) Amt zurücktrete, und ein mutiger Präsident seine Politik nicht ausschließlich nach den eigennützigen Belangen des nationalen Staates ausrichtet, -sondern verantwortungsvoll internationale Entscheidungen im Sinne einer gerechteren und friedlicheren Welt unterstützt-, wird vielleicht auch Amerika seinen wichtigen Beitrag leisten. Danke für das Interview mit Ihrem Magazin.

George W. Bush

 

 

Anm. d. Red. :

www.attac-netzwerk.de
Deutsche Netzwerkzentrale für Regional-
gruppen bzgl. des Informationsaustausches
und der Aufklärung, sowie zu Organisation
und Demonstration für eine solidarische
Weltwirtschaft...

www.nologo.com
Kanadisches Netzwerk für Informationssammlung
und Organisationsplattform für internationalen
Protest gegen die marktbeherrschende
Vorherrschaft multinationaler Konzerne...

 

 

 

Interview von und mit Günter Nagel