BUSCH
Inter:VIEW: Teil 1
(Montag, 11.02.2002,
14.02 Uhr. Ich sitze mit dem Präsidenten
der Vereinigten Staaten, Mr. George W. Bush, in meinem Büro,
um mit Ihm das Interview zu führen, -wofür er sich persönlich
vor
10 Tagen bei mir telephonisch angemeldet hatte. Ich biete ihm
ein Glas Leitungswasser an, -welches er dankend annimmt.
Beim Einschalten des Diktiergerätes bemerke ich erst meine
feuchten Hände. Ich versuche meine Nervosität zu verstecken,
doch es scheint mir nur halbwegs zu gelingen..., mit wackeliger
Stimme beginne ich die erste meiner vorbereiteten Fragen zu
stellen...)
Mr. President,
was hat sie zu diesem, für Ihr Amt und Ihre Stellung,
ungewöhnlichen Interview mit :almat: bewogen ?
(George Bush wirkt
ernst und konzentriert; er sitzt aufrecht, und
hat seine Hände gefaltet auf dem Tisch liegen...)
Diese Frage
muß natürlich die erste Frage sein, die sie sich wohl
seit unserer Terminvereinbarung ununterbrochen selbst gestellt haben.
Es ist genau die richtige und entscheidende Frage zu Beginn, und
sogleich die für mich wohl schwierigste, zu beantwortende Frage.
Aber ich werde sie Ihnen beantworten.
(Well,) Nun
ja, Sie werden wohl wissen, daß ich laufend rhetorische
Individualseminare mache, die mich mehr und mehr befähigen, der Presse
und den Medien die 'richtigen' Antworten zu geben. Somit agiere bereits
ich
als Präsident als (erster) Stimmungsmacher in der Informationskette
der Medien.
Die richtigen
Antworten dafür müssen und dürfen für mich in der
Position
als Präsident nicht absolut faktisch vollständig und wahrheitsgemäß
sein.
Sondern meine Aussagen müssen aus rhetorisch-optimierten, teilwahren
Fragmenten von Fakten und Informationen bestehen. Somit sind meine
Statements an die Nation zwar nicht unwahr, -aber auch nicht gänzlich
wahrhaftig und aufrichtig. Und dies ist mein Beweggrund, -mein innerer
Konflikt. Die Politik ist eben oftmals ein nicht unkorruptes Podium, -wenn
Sie verstehen was ich meine? Nach all den Jahren in der Politik existieren
in mir immerhin noch Relikte von persönlich-gesellschaftlichen Werten,
wie z.B. Ehrlichkeit Aufrichtigkeit, und vor allem mein persönliches
Gewissen,
-das bei einem konservativen Republikaner immer von einer hohen,
christlichen Moral bestimmt wird.
Ich habe erfahren,
daß Ihr Magazin unabhängige, authentische und auch
kritische Bericht- und Informationserstattung macht; -sowie zum Teil auch
sehr
persönliche Beiträge von einzelnen Personen veröffentlicht.
Deshalb ist Ihr
Magazin in diesem, meinem besonderem Fall, -um ein ganz persönliches
und
wahrhaftiges Interview zu geben-, auch symbolisch die 'erste und einzige'
Adresse,
also ein Exklusivinterview.
(Ich musste innehalten,
bis ich diese radikale, und eigentlich so unvorstellbare,
Antwort auf meine halblaute Frage realisiert hatte. Und mir wurde klar,
daß dieses
Interview kein gewöhnliches, konventionelles Interview werden würde.
-Ich beschloß, meine unkritischen und oberflächlichen Fragen
über Bord zu werfen...
Die selbstoffenbarende Aussage wirkte dabei so ungemein zwingend auf mich,
-Ihm jetzt unbedingt die 'richtigen' Fragen stellen zu müssen...)
Mr. Bush, -wie
stehen Sie mittlerweile zu der heftig umstrittenen Wahl zum
Präsidenten , bei der Sie als zweifelhafter Sieger hervorgegangen
sind ?
Um das offene Geheimnis
hiermit offiziell zu bestätigen, sage ich
Ihnen, daß das amerikanische Wahlsystem leider nicht gänzlich
demokratisch operationalisiert ist. Die Erfassung von Wahlstimmen
in Relationen, -in Verbindung mit eben einer nur relativen, mehrheitlichen
Wertigkeit über Stimmen von Wahlmännern-, korrumpiert somit
die
einzelne Stimme des Bürgers. Ich wurde zum Präsidenten gewählt,
obwohl ich letztendlich keine absolute Mehrheit der Stimmen (der Bürger)
hatte. Diese Absurdität ist das peinliche Symbol für bürokratische
Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten in der amerikanischen Verfassung.
Wie 'funktioniert'
bei Ihnen eigentlich der Wahlkampf, -und welche
politischen Schwerpunkte werden dabei gelegt, falls es diese
überhaupt gibt ?
Der amerikanische
Wahlkampf hat den Charakter eines großen `Volksfestes´,
-um so größer, spektakulärer und letztendlich medienwirksamer
der Wahlkampf
organisiert ist, desto aussichtsreicher ist der Erfolg. Somit spielt die
finanzielle
Verfügbarkeit die entscheidenste Rolle. Und ich hatte dafür
eben die
entsprechenden Kontakte zu ('...big business men') den führenden
Geschäftsmännern.
In Form von mündlichen Abmachungen schließt man dabei einen
geheimen
'Vertrag', über entsprechende Gegenleistungen in gesetzlicher Form...
Mitentscheidend für meine Wahl war ein sehr angesehener Wahlberater,
der
mich speziell für den Wahlkampf auf ein überzeugendes, und vor
allem
amerikanisch-patriotisches Parolisieren meiner Reden trainierte. Das ist
wichtig,
denn amerikanische Wahlkampfpolitik wird in erster Linie auch von den
Medien
gemacht. Um ganz offen zu sein, ist im Wahlkampf eigentlich die Medienriege
der einzige Adressat. Wie die Medien einen Kandidaten 'hypen', welche
Stimmung sie dabei verbreiten ist eben wahlentscheidend.
(Unter dem Licht
meiner Zimmerlampe erkenne ich, wie kleine Schweißperlen
beginnen die Stirn von George Bush zu benetzen...)
Moment bitte, Mr.
Bush-, wie ist Ihre Äusserung mit dem Ausdruck
'Gegenleistung in gesetzlicher Form' genau zu verstehen ?
Ich denke die Aussage
ist bereits aus dem Wortlaut heraus zu
verstehen. Um es noch genauer zu formulieren, sage ich Ihnen,
daß ich nahezu uneingeschränkt die Möglichkeit habe entsprechende
Gesetzmäßigkeiten zu initiieren, zu beschleunigen, zu bremsen,
oder
außer Kraft zu setzen..., welche der jeweiligen Wirtschaftsbranche
meiner finanziellen Unterstützer dienlich sind...
(Mein 'Plan' scheint
aufzugehen... Ich versuche einfach neue
Fragen aus seinen Antworten abzuleiten...)
Ich verstehe. -Und
welche Gesetzte haben Sie in Ihrer bisherigen
Amtszeit initiiert, oder außer Kraft gesetzt ?
(George Bush hält
kurz inne. Seine Ausstrahlung wirkt plötzlich unsicher.
Um die sichtliche Irritation zu verbergen, lockert er seinen doppelten
Krawattenknoten, öffnet den obersten Knopf an seinem Hemd und
räuspert sich...)
('Excuse me please')
ImWahlkampf habe ich bereits proklamiert, den
Umweltschutz
zu 'modernisieren'. Den Begriff 'modernisieren' interpretierte
ich für mich als eine radikale Lockerung und Aufhebung der geltenden
Umweltschutzbestimmungen. So habe ich gleich zu Beginn meiner Amtszeit
die Bundesdruckerei beauftragt, den Druck mehrerer Gesetzte, welche
Bill Clinton kurz vor dem Ende seiner Amtsperiode noch erlassen hat, zu
stoppen. Dabei handelte es sich beispielsweise auch um eine Bestimmung
zum Schutz von 15 Millionen Hektar Wald vor dem Abholzen. Ausserdem
habe ich gesetzlich legitimiert, daß aus den großen Nationalparks
Alaskas künftig Öl gefördert werden darf.
Die Aufhebung
dieser Gesetzesbestimmungen musste ich unglücklicherweise
als Gegenleistung für meinen, durch sogenannte 'Spendengelder', finanzierten
Wahlkampf erbringen. Dabei war mir wichtig, daß diese Amtshandlungen
auf
möglichst wenig Medieninteresse stoßen. Zumindest die inländische
Presse
hat davon auch nur am Rande Notiz genommen, da in der Mentalität
der
amerikanischen Gesellschaft ('...american way of life') ein ökologisches
Bewußtsein auch nur eine Nebenerscheinung darstellt. Unbestritten
hat
dabei eine, -seit der Staatsgründung-, kompromisslose, pro-ökonomische
Ausrichtung der amerikanischen Politik den größten Einfluß
genommen!
('Well') Sie
wundern sich sicherlich über meine ungemein (selbst-) kritischen
Ausführungen. Dazu haben Sie auch allen Grund, denn schließlich
bin ich
momentan dafür die allmächtige Exekutive, und trage die volle
Verantwortung.
Verstehen Sie vielleicht jetzt meine innere Zerrissenheit verstehen? Mein
Gewissen mahnt mich schon seit so langer Zeit, nicht nur mir selbst gegenüber
wieder gerecht und unschuldig zu werden!
Ich hoffe mit
diesen Eingeständnissen und offenen Beteuerungen dieser
Fehlentscheidungen mein mahnendes Gewissen zu entlasten...
(Beim konzentrierten
Wahrnehmen dieser, für den Gesprächspartner so
schizophren klingenden Aussagen bemerke ich, daß sich die Gesichtszüge
von George Bush zusehens verhärten und nahezu stereotyp wirken...
Natürlich verberge ich diese Empfindung.)
Mr. President,
hat Ihr Wiedersacher im Wahlkampf, Mr. Al Gore
nicht ein wissenschaftliches Pamphlet zur Reduzierung der
Treibhausgase und Alternativen für die Ausbeutung der Energiereserven
der Erde veröffentlicht? Sehen Sie diese zeitgemäßen Ambitionen
nicht
für absolut dringend notwendig ?
Ich kenne das Buch
sehr gut. Es beschreibt sehr wissenschaftlich
den 'status quo' der zunehmenden Umweltverschmutzung,
und der damit verbundenen Erwärmung des Klimas, -mit
all seinen
möglichen, verheerenden Folgen... Und Sie müssen mir glauben,
daß
ich mittlerweile meine politische Verantwortung für die Umwelt sehr
ernst nehme... ('What a Fuck, I`m not Al Gore, and... ') Nur,
verdammt
noch 'mal, daß ich eben nicht Al Gore bin, und ich zum Präsident
gewählt
wurde! Sie verstehen wohl, daß es undenkbar wäre, seine innovativen
Ideen und Vorschläge zu verantwortlicherem Umgang mit der Umwelt
aufzugreifen, und offensichtlich und sichtbar in meine Politik zu
integrieren. Somit sind mir nicht nur die Hände gebunden, - sondern
auch mein Herz schmerzhaft 'verschnürt'. Es gibt in der Umweltpolitik
also keine Alternative für meine (Umwelt-)Politik, und erst recht
keinen
Weg zurück, ohne dadurch mein Gesicht und meine Glaubhaftigkeit
gänzlich zu verlieren...
(Die persönlichen
Antworten, und offenen Eingeständnisse irritieren
mich immer noch nicht unbedingt weniger als zu Beginn des Interviews.
Doch bemerke ich erst jetzt die produktive Dynamik des Interviews.
Diese gnadenlose Selbstentäußerung von George Bush gibt mir
das Gefühl,
offen und selbstbewußt in eine Form von Kommunikation einzusteigen...)
Mr. Bush, ich muß
schon sagen, daß mich Ihre Offenheit beeindruckt.
Und ich glaube Ihnen, daß sie es mit diesem Interview sehr ernst
meinen, sich aufrichtig und nicht minder selbstkritisch über Ihre
fatale Politik zu äussern. -Wie stehen Sie nun zu Ihrer Ablehnung
des 'Kyoto-Protokolls'?
Die Ablehnung der
Bestimmungen des Kyoto-Protokolls zur Einführung
weltweit notwendiger Umweltschutzstandards ist somit die offenkundigste
Bestätigung meiner politischen Unverantwortlichkeit gegenüber
der
Umwelt. Auch ich führe damit die bisher massiv verdrängte Umweltpolitik
Amerikas weiter, welche sich immer wirtschaftlichen Prämissen
unterzuordnen hatte. Um diese 'laissez-faire' Dimension der Verantwortungs-
losigkeit noch zu verdeutlichen: Obwohl wir (Amerika) der größte
Umweltsünder der Erde sind, und ein Drittel der weltweit produzierten
Energie verbrauchen, kürzen wir im Senat finanzielle Mittel zur Förderung
und Entwicklung regenerativer Energien. Sie wissen gar nicht, wie sehr
ich
mittlerweile meine ablehnende Haltung gegenüber den Mitunterzeichnern
bedauere. Ich habe das Gefühl, daß ich damit das absolut falsche
Symbol für...
(Prompt stoppt
George Bush in seiner Antwort. Sein Blick wirkt abwesend
und sogleich durchdringend. Plötzlich 'wirft' er seinen Kopf in die
offen auf
dem Tisch liegenden Hände, -und beginnt lauthals zu weinen... Meine
Stimme stockt. Ich denke daran, Ihn zu beruhigen, -doch wie soll ich das
tun?
Darf man den Präsidenten von Amerika überhaupt mit der Hand
berühren?
Ich reiche Ihm ein Glas Wasser, mit der Frage, ob ich etwas für Ihn
tun kann,
und sage Ihm, daß das Interview zu Ende ist. Allmählich hört
er auf zu weinen.
Er richtet sich auf, und trinkt vom Glas Wasser, um sich etwas gefasst,
für seinen Gefühlsausbruch zu entschuldigen. Mir fehlen immer
noch die Worte.
Beim Verlassen meines Büros sagt er mir, daß er auf eine Fortsetzung
des Interviews besteht...- .
Ich hoffe, in der
nächsten Ausgabe den zweiten Teil dieses so
unglaublichen Interviews bereits veröffentlichen zu können...)
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